Seit anderthalb Jahren ist Annalena Baerbock Außenministerin. Sie versucht, Prinzipien und Pragmatismus zu verbinden. Das gelingt nicht immer. Ein Porträt von tschlze.
Der erste Härtetest: Annalena Baerbock bei einer Pressekonferenz mit Sergei Lawrow in Moskau im Januar 2022 Foto: Russian Foreign Ministry/ITAR-TASS/imagoTobias Schulze 28.5.2023, 13:09 Uhr
Nervöses Lachen aus der Runde. Die Ministerin ist die Einzige, so scheint es, der die Turbulenzen nichts ausmachen. Sie brauchte nicht lang für die erste Antwort. Januar 2022: Sieben Wochen nach ihrem Amtsantritt, kurz vor Beginn des Kriegs in der Ukraine, reist Baerbock nach Moskau. Sie trifft dort Sergei Lawrow, seit knapp zwei Jahrzehnten russischer Außenminister.
Sie bekommt Lob, aber auch maßlose Kritik Bei vielen kommt sie damit gut an. „Sie macht ihren Job deutlich besser, als viele erwartet haben“, sagt der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter, der eigentlich nicht mehr gut auf Baerbock zu sprechen war, nachdem sie ihn bei der Kabinettsbildung ausgebootet hatte. „In diesen Zeiten ist sie mit ihrer Klarheit gegenüber Russland und China die richtige Person.
„Was für ein Unfall, dass diese Frau Außenministerin geworden ist“, sagte kürzlich der Fernseh-Philosoph Richard David Precht. Sie habe die „moralische Inbrunst einer Klassensprecherin“. Als Grünen-Chefin arbeitete Baerbock früher zusammen mit Robert Habeck daran, dass sich die Partei eine neue Haltung zulegt. Sie wollten wegkommen von der „moralischen Erziehung des Menschengeschlechts“, wie es Habeck vor zehn Jahren nach einer verlorenen Bundestagswahl ausdrückte. Nimmt man Baerbock beim Wort, hat sie diesen Vorsatz auch für ihre Außenpolitik gefasst.
Vor den Schussübungen sitzt sie mit dem DFB-Präsidenten und der Nationaltrainerin auf dem Podium. Sie erzählt von ihrer Reise in den Nordirak, wo sie im März ebenfalls gekickt hat – mit Flüchtlingsmädchen auf einem Bolzplatz, der von Deutschland finanziert wurde.
Baerbocks Rechtfertigung: Eine Ablehnung hätte in Zukunft gemeinsame europäische Rüstungsprojekte erschwert. Die Bundeswehr müsste dann mehr Geld für ihre Waffen ausgeben und der Regierung blieben keine Mittel für die Kindergrundsicherung. Ihr Plan, um in die Offensive zu kommen, ist eine Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrats. Das Gremium in Genf soll eine Kommission einsetzen, die die Repressionen gegen die Opposition untersucht. Baerbocks Berater*innen in Berlin raten ihr fast einstimmig davon ab, persönlich zu der Sitzung zu reisen. Der Apparat befürchtet, dass die Resolution die Mehrheit ohnehin verfehlt. Er will nicht, dass die Ministerin zu sehr damit verbunden wird. Sie zieht aber durch.
Gleichzeitig wirkt das Zustandekommen der Resolution dem Eindruck entgegen, die Außenministerin kenne nur den Angriffsmodus und sei zur klassischen Diplomatie nicht in der Lage. In ihrem Umfeld im Auswärtigen Amt stellt man ohnehin infrage, dass Baerbock international außergewöhnlich krawallig auftritt. „Die letzten Pressekonferenzen von Heiko Maas mit Lawrow oder den Chinesen waren auch sehr konfrontativ.
Überhaupt: Fundamental über Kreuz sind der Kanzler und die Außenministerin offenbar nicht mehr. Ihre Stile unterscheiden sich zwar voneinander, einige ihrer politischen Überzeugungen auch. Den Streit über das Tempo der Waffenhilfe für die Ukraine führten sie im letzten Jahr tatsächlich erbittert. Die Bundesregierung war außenpolitisch gespalten. Die Zeit schrieb, dass die beiden über Wochen nicht richtig miteinander gesprochen hätten.
Image und Wirklichkeit Ist am Image der Klartext-Ministerin denn gar nichts mehr dran? Handelt es sich nur um eine kollektiv verzerrte Wahrnehmung? Ganz so ist es auch wieder nicht. Und wenn die Gegenseite dann ihrerseits eine Schippe drauflegt? „Ein Shitstorm bedeutet nicht nur, dass manche es anders sehen“, sagt die Außenministerin vor ihren Botschafter*innen. „Sondern er bedeutet auch, dass man gehört worden ist. Darauf kommt es in diesen Tagen an.“
Nach einer halben Stunde, als der Termin vorbei ist, sollen die Helfer*innen die Bunkertür wieder öffnen. „Unfortunately there was no attack“, sagt Baerbock. Es gab ja leider keinen Angriff.
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