Über Teilnahmszwang, verfrühte Nachrufe und anderes Unschöne auf Social Media
In den vergangenen Tagen wurde vor allem das Publikum von Social Media Zeuge eines Schauspiels, das ich hier nur kurz charakterisieren will. Es beinhaltete Hetze aufgrund unbewiesener Vorwürfe, leidenschaftliche Verteidigungen des Hetz-Opfers und dessen vorübergehenden Rückzug aus einer leitenden publizistischen Position. Das Ganze gipfelte in dem befürchteten Selbstmord des Opfers, der sich glücklicherweise als Gerücht, also als falsch erwies. Das Opfer lebt.
Zuerst einmal darf man sich freuen, dass das Opfer dieser Hetze lebt und die Nachricht von seinem Tod, wie das berühmte Zitat von Mark Twain lautet, stark übertrieben war. Ich habe manchmal den Verdacht , dass die allgemeine digitale Kopflosigkeit solche Affären beschleunigt, die öffentliche Kommunikation vergiftet und alles auf ein manichäisches Zwei-Lager-Denken reduziert, das nur im wechselseitigen Schädel-Einschlagen enden kann.
Und das Teuflische daran ist, man wird, ob man will oder nicht, in dieser postmedialen Dynamik zur Parteinahme beinahe gezwungen, weil Schweigen aufgrund der sofort aufflammenden Wut-Ergebnisse von Hetze und Verleumdung keine Option erscheint. Denn das Aufmerksamkeitsgewerbe – das sind die Medien – hat sich von den Medien abgehoben, und zwar so, dass der Medienmensch zur Teilnahme gezwungen scheint. Nimmt er nicht teil, existiert er in der Wahrnehmung der postmedialen Sphäre nicht mehr.
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