Heute muss mich ein Radiosender daran erinnern, dass ich auch mal ein Flüchtling war. Ich vergesse es oft. Weil ich verwöhnt bin?
Heute muss mich ein Radiosender daran erinnern, dass ich auch mal ein Flüchtling war. Ich vergesse es oft. Weil ich verwöhnt bin?Jeden 31. Mai bekomme ich dieselbe Whatsapp:"Hey, Brudi, heute vor xy Jahren haben wir uns auf den Weg gemacht". Der Absender ist meine Schwester, die mich jährlich an den Tag erinnert, an dem unser neues Leben begann.
"Ihr fahrt mal für ein paar Wochen zu eurem Onkel ans Meer", hatten uns die Eltern zuvor erklärt. Sie konnten nicht ahnen, dass sich diese"paar Wochen" in meinem Fall zu sechs Jahren strecken würden. Meine Schwester sollte gar nicht mehr heimkehren: Nach sieben Jahren in Deutschland wanderte sie nach Australien aus.
Bilder von der 20-stündigen Busfahrt, Barrikaden und Soldaten mit Gewehren, die den mit Frauen und weinenden Kleinkindern Bus nach versteckten Männern durchsuchen. Bilder von Flüchtlingsheimen in Deutschland, Gesichtern von Frauen, die ohne Hab und Gut flüchten mussten und ihre Männer hinterließen.Heute muss mich ein Radiosender daran erinnern, dass ich auch mal ein Flüchtling war. Ich vergesse es oft. Vermutlich weil es mir gut geht.
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